Knut Elmich - Fragmente, Miniaturen und Gedanken

Nihilmeditation

Tief atme ich ein. Tief atme ich aus. Ich halte meine Augen geschlossen. Der schneidendkalte Wind bläst an meinem nackten Körper vorbei, aber ich bleibe sitzen, fühle die Kälte und liebe den Schmerz. Ich muss meine Augen nicht öffnen, um zu sehen, was mich umgibt. Ich sehe, spüre einen grauen, toten Horizont und die Gewissheit, das einzige betrachtende Lebewesen auf diesem Planeten und in diesem Universum zu sein.

Ich bin alleine in dieser von farblosem Staub bedeckten Ödnis, die mich umgibt und es ist meine Ödnis, mein Universum, denn wenn du mit mir hier wärst, es wäre alles verloren, es wäre keine Ödnis mehr, es wäre nicht mehr grau und kalt und tot, sondern lebend, durch dich, denn du lebst. Aber ich selber lebe nun mal nicht immer, oft nur zur Häfte, und kann meine tote Ödnis, meine kalte Hälfte darum nicht mit dir teilen, denn du würdest sie mir wegnehmen, sie erobern mit deinem funkensprühendfarbigem Leben, und mir somit die Hälfte dessen rauben, was ich nun mal bin. Du würdest mir die Hälfte meiner Identität nehmen und ersetzen mit was?

Tief atme ich ein. Tief atme ich aus. Ich halte meine Augen geschlossen und erlaube es nach und nach, dass die Reize der Welt wieder in mich strömen. Lärm schwillt an. Straßenverkehr, Gespräche. Sonne auf der Haut. Ich nehme ohne Wehmut Abschied von der Kälte, trage sie doch immer bei mir.

Genug gestorben, jetzt darf ich wieder leben.